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Michael Peppiatt: Francis Bacon - Anatomie eines Rätsels
ISBN 3-7701-4635-2, DuMont Buchverlag, Köln

Es war typisch für Bacon, dass er für seine Köpfe keinerlei Festlegungen oder Erklärungen bot. In einer im Time Magazine veröffentlichten Kritik war zu lesen, Bacon habe behauptet, sie besäßen keine klare Bedeutung: »Sie sind nur der Versuch, eine bestimmte Art von Gefühl sichtbar zu machen [ ... ]. Malerei ist das Muster des auf die Leinwand projizierten Nervensystems.« Was die Technik betraf, war er etwas mitteilsamer und machte die viel zitierte Bemerkung: »Eines der Probleme besteht darin, wie Velázquez zu malen, aber mit der Textur einer Nilpferdhaut.« Diese Formel, die möglicherweise falsch zitiert ist, stand für das Ziel, das Bacon zu dieser Zeit anstrebte - eine von dem spanischen Meister inspirierte tonale Subtilität zu erreichen, die trotzdem die grobe, körnige Unmittelbarkeit eines Zeitungsfotos besaß. Die ersten drei Köpfe zeichnen sich durch das bewusste Streben nach einem trockenen, gekratzten und körnigen Effekt aus, als sei die Ölfarbe bei ihrem Auftrag durch die Beimischung von Sand oder einer anderen Substanz aufgesaugt worden (im Katalog werden als Materialien des ersten Bildes, Kopf I, Öl und Tempera auf Hartfaserplatte angegeben; bei allen anderen jedoch Öl auf Leinwand - von diesen Materialien wich Bacon nie mehr ab, es sei denn, um eine Spur Pastellkreide hinzuzufügen). Er wollte jenen Schock nachempfinden, den er selbst beim Anblick bestimmter neuer Bilder erlebt hatte, wie etwa denen, die die Picture Post und später die Paris Match (beides Zeitschriften, die Bacon sehr schätzte) so beliebt und berühmt machten. Die Unmittelbarkeit der versteckten Kamera sollte von Dauer sein, bewahrt in Öl, wie ein Porträt glanzvoller europäischer Malerei.

Wie in einem beschleunigten evolutionären Prozess wird die knurrende, nagetierhafte Schnauze des ersten Kopfes zu einem erkennbaren Menschen, gespenstisch und konfus, bevor dieser in Kopf VI zu einer vermeintlich höheren Form gelangt, die deutlich durch kirchliche Gewänder gewürdigt wird. Aber dieser Kopf ist ebenfalls nicht mehr als der Schrei aus einem offenen Mund: über den mit Satin behängten Schultern, wo unter einem Käppchen stille Autorität ausgestrahlt werden sollte, klafft eine Lücke, die durch eine baumelnde Troddel noch leerer erscheint, so als sollten gleich die Vorhänge heruntergezogen werden, um den schreienden Papstkopf zu verbergen. Dies war Bacons erste Variation nach Velázquez' Porträt von Papst Innozenz X., und von allen Bildern in der Ausstellung schockierte es die Besucher am meisten, wie sich Lawrence Gowing erinnerte:

»Es war ein Frevel, eine Missachtung des existentiellen Prinzips, eine parodierende Kapitulation vor der Tradition, ein profaner Pietismus, wie ein erfundener intellektueller Snobismus, und auch ein Verzicht auf die Farbmalerei, den aufrichtig progressive Maler nie verziehen haben. Es war alles unverzeihlich. Die paradoxe Erscheinung von Pasticcio und lkonoklasmus war in der Tat einer von Bacons originellsten Streichen.«

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